Social Media / Jan Schweder 9. Mai 2008

Gesichtete und geprüfte Versionen in der Wikipedia

Seit dem 06. Mai 2008 läuft in der freien Enzyklopädie „Wikipedia“ der Testlauf einer neuen Kontrollinstanz zur Erhöhung der Verlässlichkeit der angebotenen Inhalte. Bisher war es jedem Besucher möglich, die vorhandenen Artikeltexte beliebig zu ändern. Da es in der menschlichen Natur liegt, den schmalen Grad zwischen Kommunismus und Anarchie leichtfertig zu überschreiten, kam es somit immer wieder zu mutwilligen Verfälschungen von vorhandenen Artikeln oder gar dem Erstellen neuer, von Unwahrheiten durchzogener Beiträge. Aus diesem Grund wird u.a. an Universitäten immer wieder davor gewarnt, Texte der Wikipedia für bare Münze zu nehmen.

Um dieses Misstrauen aus der Welt zu räumen, werden Änderungen an Artikeltexten in Zukunft erst dann angezeigt, wenn vorher ein so genannter „Sichter“ oder „Prüfer“ sein OK gibt.

wikipedia-gesichtet.gifBis zu diesem Zeitpunkt wird standardmäßig immer die zuletzt gesichtete oder geprüfte Version eines Textes ausgegeben. Der immer wieder auftretende Vandalismus innerhalb der Wikipedia soll damit eingeschränkt werden.

Wer kann Sichter oder Prüfer werden?

Der Plan lautet, zukünftig jeden angemeldeten Benutzer, der eine bestimmte Zeit lang in der Wikipedia aktiv ist bzw. eine bestimme Menge an Artikeln bearbeitet hat, zu einem „Sichter“ zu konvertieren. Da momentan noch keine Einigkeit über die genauen Kriterien dieses Vorgangs herrscht, müssen User das „Recht auf Sichtung“ derzeit noch beantragen.
Hat man dann erst einmal diesen Status erlangt, kann man in einem Bereich am Ende jedes Artikels einzelne Versionen als „gesichtet“ markieren bzw. diese Markierung auch wieder entfernen.

Zusätzlich gilt jeder Beitrag, der von einem Sichter erstellt oder editiert wurde automatisch als gesichtet.
Ein deutlich komplexeres Verfahren scheint sich für die Findung von „Prüfern“ anzubahnen. Noch ist jedoch nicht entschieden, wie genau ein User als fachkundiger „Prüfer“ bestätigt werden kann.
Die Aufgabe dieser Nutzergruppe wird es sein, Artikel auf falsche Aussagen und wesentliche Lücken zu kontrollieren. Besteht ein Beitrag diesen Test, darf er als „geprüft“ markiert werden. Ein Problem hierbei wird sein, einzuschätzen, wann eine Lücke in einem Beitrag als „wesentlich“ einzustufen ist.

Ein Beispiel:
Die Höhe der Zugspitze sollte im gleichnamigen Artikel nicht fehlen, aber gilt die Information, dass die Zugspitze von Österreich aus betrachtet 27 cm höher ist, als von Deutschland aus betrachtet, als „wesentlich“?
Weder Sichtung noch Prüfung sind übrigens ein Garant für Qualität! Der Schreibstil und die Wertigkeit des Geschriebenen werden dadurch nicht beurteilt. Das System dient lediglich dazu, Fehler systematisch zu erkennen und zu beseitigen.


Fazit:

Es ist zu begrüßen, dass die Wikipedia an ihrer Zuverlässigkeit arbeiten möchte. Das Vertrauen der Nutzer in die Informationen wird bei erfolgreicher Einführung der Qualitätskontrolle sicherlich ansteigen. Nachteil dieser Lösung ist, dass nun der ursprüngliche, freie Charakter eines Wikis eingegrenzt wird und eine Hierarchie entsteht, die ausgewählte User über andere stellt. Darüber hinaus besteht die Gefahr, dass „Sichter“ und „Prüfer“ ihre Privilegien ausnutzen und nicht im Sinne der Allgemeinheit handeln könnten, wie es bspw. immer wieder beim Open Directory Project (DMOZ/ODP) zu beobachten ist.

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